Tusche auf Papier, 40×40 cm
Selbstportraits im Spiegel sind ein faszinierendes Thema in der Kunstgeschichte, und es gibt mehrere bekannte Beispiele, die sowohl die Technik als auch die Bedeutung dieses Motivs in der Malerei unterstreichen. Diese Art von Selbstporträt hat für die Geschichte der Malerei eine besondere Relevanz, da sie nicht nur die künstlerische Fähigkeit des Malers zeigt, sondern auch tiefere Fragen über Identität, Wahrnehmung und den kreativen Prozess aufwirft. Bekannte Beispiele für Selbstporträts im Spiegel sind etwa Albrecht Dürers „Selbstporträt im Pelzrock“ (1500) oder Frida Kahlos „Die zwei Fridas“ (1939). Von Rembrandt van Rijn gibt es über 90 Selbstporträts (1629-1669), wobei ihn viele in Spiegelreflexionen oder in anderen inszenierten Spiegelbildern zeigen. Rembrandt war bekannt dafür, dass er das Spiegelbild als ein Mittel benutzte, um die komplexe menschliche Psyche und seine eigene Selbstwahrnehmung zu erforschen. Manche bezeichnen übrigens Rembrandt als ersten Selfie-Pionier, der damit eine Form des Selbstmarketing betrieb, wobei er zwar das Genre nicht erfunden hat, aber Selbstporträts wie keiner zuvor nutzte. Er wollte etwa mit seinen Radierungen zeigen, dass er ein talentierter Künstler war und ein gekonnter Poser obendrein, etwa im möglichen ersten Duckface der Selfie-Geschichte. Duck face ist eine Fotopose, die häufig auf Profilbildern in sozialen Netzwerken zu sehen ist, wobei die Lippen wie bei einem Schmollmund zusammengepresst und die Wangen eingezogen werden, was so aussieht, als würde die Person etwas Saures probieren. Die Pose wird in der Regel als Versuch gesehen, verführerisch zu wirken, sie kann aber auch ironisch sein oder ein Versuch, selbstbewusste Verlegenheit zu verbergen.
Dürer gilt übrigens als einer der ersten Künstler, der ein Selbstporträt in einer Art und Weise malte, die dem modernen Konzept des „künstlerischen Selbstbewusstseins“ nahekommt. Obwohl dieses Werk nicht explizit im Spiegel gemalt wurde, kann man es als eine Art „Spiegelbild“ seines Selbstverständnisses als Künstler sehen, wobei sich Dürer als eine fast religiöse Figur darstellt, was die Bedeutung von Künstlern im Renaissance-Kontext verdeutlicht. Frida Kahlo wiederum schuf ihr Werk, das als eine Form von Selbstporträt im erweiterten Sinn betrachtet werden kann, denn ihre Gemälde sind häufig tief introspektiv und verwenden Spiegelbilder als Symbol für ihre innere Zerrissenheit und ihre Identität als Frau und Künstlerin.
In der Geschichte der Malerei zeigen Spieglselbstbildnisse einerseits die Reflexion über den eigenen Künstlerstatus und die Identität, denn Selbstporträts im Spiegel erlauben den Künstlern, sich selbst als Akteur im kreativen Prozess darzustellen, andererseits sind sie Zeugnisse der technischen Meisterschaft und Innovation, da ein Spiegel Künstlern eine Möglichkeit bot, ihre technische Fertigkeit zu demonstrieren. Die Wiedergabe von Spiegelbildern erfordert nämlich ein genaues Verständnis der Perspektive, der Lichtverhältnisse und der Wechselwirkungen zwischen Raum und Körper. Solche Selbstporträts haben aber auch eine psychologische und philosophische Dimension, denn die Verwendung des Spiegels in Selbstporträts verweist auf tiefere Fragen der Wahrnehmung und des Selbst, wobei der Spiegel als Metapher die Trennung zwischen äußerer Erscheinung und innerem Selbst, den Unterschied zwischen der Wahrnehmung des Ichs und der Realität, darstellen kann. Künstler wie Rembrandt oder Kahlo erforschten dabei die Veränderlichkeit des menschlichen Geistes und die Komplexität von Emotionen und Selbstverständnis. Bei manchen dieser Werke spielt auch die künstlerische Selbstinszenierung eine Rolle, denn in vielen Fällen diente das Selbstporträt auch dazu, den Status des Künstlers in der Gesellschaft zu betonen. Ein Selbstporträt, insbesondere im Spiegel, kann somit als eine Form der Selbstdarstellung verstanden werden, bei der der Künstler sich als reflektierte, denkende und schaffende Person positioniert. Dies war insgesamt ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der westlichen Kunstgeschichte, in der der Künstler zunehmend als eigenständiger Denker und nicht nur als Handwerker angesehen wurde.