Kunst ist bekanntlich weit mehr als nur ein ästhetisches Vergnügen, denn sie kann das emotionale und psychische Wohlbefinden von Menschen auf vielfältige Weise fördern. Trupp et al. (2025) haben dieses Phänomen in einer Metaanalyse wissenschaftlich beleuchtet und dabei zentrale psychologische Mechanismen identifiziert, die erklären, warum der bloße Akt des Kunstbetrachtens eine so tiefgreifende Wirkung auf uns haben kann. Bereits frühere Studien zeigten, dass das Betrachten eines digitalen Monet-Gemäldes bereits nach weniger als zwei Minuten das subjektive Wohlbefinden steigern kann. Dennoch blieb bislang unklar, welche Prozesse genau dabei eine Rolle spielen.
Mannanalysierte 38 Einzelstudien mit insgesamt 6.805 Teilnehmenden aus den Jahren 2000 bis 2023, wobei die einbezogenen Kunstformen auf visuelle Werke wie Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen beschränkt waren, d. h., Film, Theater oder Performancekunst wurden nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Kunstbetrachtung mit positiven Effekten auf das Wohlbefinden assoziiert ist, insbesondere im Bereich des sogenannten eudaimonischen Wohlbefindens, das mit einem Gefühl von Sinnhaftigkeit und persönlichem Wachstum verbunden ist.
Zentral in der Analyse sind fünf psychologische Mechanismen, die erklären, wie Kunst ihre wohltuende Wirkung entfalten kann: affektive, kognitive, soziale, selbsttransformative sowie resilienzstärkende Prozesse.
Die affektiven Mechanismen beziehen sich auf die Emotionsregulation und das Erleben positiver Gefühle wie Freude und Entspannung. Sie sind unmittelbar mit der emotionalen Wirkung verbunden, die Kunst auf Betrachtende haben kann. Kognitive Mechanismen wiederum betreffen Prozesse wie Aufmerksamkeit, Lernen und Erinnern, d. h., Kunst regt zum Nachdenken an, weckt Neugierde und fordert die intellektuelle Auseinandersetzung damit heraus. Ein weiterer Aspekt ist der soziale Mechanismus, denn gemeinsames Kunstbetrachten kann das Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit stärken und sozialer Isolation entgegenwirken. Gerade in musealen oder gemeinschaftlichen Kontexten ist dieser Effekt besonders ausgeprägt. Die selbsttransformative Wirkung von Kunst manifestiert sich oft durch persönliche Reflexion, Identitätsstärkung und die Erfahrung von Sinn. Kunst ermöglicht es also dem Individuum, sich selbst besser zu verstehen und emotionale Tiefe zu erfahren. Nicht zuletzt fördern resilienzstärkende Mechanismen die emotionale Widerstandskraft. Dies ist besonders relevant in klinischen oder psychisch belastenden Situationen, wo Kunst als unterstützende Maßnahme im Genesungsprozess fungieren kann.
Allerdings muss betont werden, dass die methodische Qualität vieler Studien noch verbessert werden muss und zukünftige Arbeiten die spezifischen Bestandteile der Kunsterfahrung sowie deren Kontext stärker berücksichtigen sollten. Letztendlich sollte Kunst nicht nur als kultureller Luxus betrachtet werden, sondern auch als ein effektives, leicht zugängliches und kostengünstiges Mittel zur Förderung psychischer Gesundheit. Aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit – in Museen, im öffentlichen Raum oder sogar im Krankenzimmer – kann Kunst in verschiedenste Lebensbereiche integriert werden und bietet so vielfältige Möglichkeiten zur Unterstützung des individuellen Wohlbefindens. Es empfiehlt sich daher, Kunstbetrachtung bewusst in Gestaltungsprozesse von öffentlichen und privaten Räumen sowie in gesundheitsfördernde Programme einzubeziehen.
Literatur
Trupp, M. D., Howlin, C., Fekete, A., Kutsche, J., Fingerhut, J.,& Pelowski, M. (2025). The impact of viewing art on well-being—a systematic review of the evidence base and suggested mechanisms. The Journal of Positive Psychology, 1–25, doi:10.1080/17439760.2025.2481041