Adlergasse 10, Linz

Adlergasse 10, Linz Geschichte

Tusche auf Papier, 40×40 cm

Das Haus Adlergasse 10 in Linz ist ein bemerkenswertes Zeugnis städtischer Geschichte, das viele Epochen und unterschiedliche Nutzungen widerspiegelt. Die erste urkundliche Erwähnung des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1595. Bereits vor 1660 war es im Besitz des Baumeisters Jacob Allio. In den folgenden Jahrhunderten prägte das Haus verschiedene Funktionen und Nutzungen. Besonders hervorzuheben ist die Zeit zwischen 1710 und 1824, in der es unter dem Namen „Hutmacherhaus“ bekannt war. Die sogenannte „Hutmachergerechtigkeit“, also das Recht zur Ausübung des Hutmacherhandwerks, wurde im Jahr 1802 ausdrücklich erwähnt – ein Hinweis auf die Bedeutung des Handwerks in diesem Gebäude.

Im Jahr 1910 wurde das ursprüngliche Haus abgerissen und durch ein neues Wohn- und Geschäftshaus ersetzt, das von der Oberösterreichischen Baugesellschaft errichtet wurde. Der Neubau im Stil des Späthistorismus zeigt eine trockene, schematische neobarocke Fassadengestaltung mit fünf Geschossen und einer klar gegliederten Achsstruktur zur Adlergasse und zur Rathausgasse hin. Einige architektonische Elemente des alten Hauses, wie spätgotische Fenster- und Türgewände oder Balkenteile aus dem 17. Jahrhundert, wurden beim Bau der Rosenburg in Linz (1908/09) wiederverwendet – was auf den historischen und künstlerischen Wert des ursprünglichen Baus hinweist.

Ein besonders bedeutender Abschnitt in der Geschichte des Hauses ist seine Nutzung durch die jüdische Gemeinde in Linz. Im Jahr 1851 wurde der Gemeinde die Abhaltung von Privatgottesdiensten in der Adlergasse 10 offiziell gestattet. Es wird angenommen, dass auch Religionsunterricht in diesen Räumlichkeiten stattfand. Diese Nutzung fällt in die Phase der Etablierung der jüdischen Gemeinde in Linz im 19. Jahrhundert und dokumentiert deren Bemühungen um religiöse und gesellschaftliche Präsenz in der Stadt.

Heute ist das Haus in vielfältiger Weise genutzt. Es beherbergt das Architekturbüro von Mag. Ludwig Landskron, einem renommierten Architekten, der unter anderem zahlreiche Filialen der Raiffeisenbank sowie Kindergärten und Wohnbauten in Linz gestaltet hat. Er erwarb in den 1980er-Jahren im Zuge der Altstadtsanierung eine Wohnung in dem Gebäude und gestaltete das zuvor als Rumpelkammer genutzte Dachgeschoss zu einer großzügigen Dachterrassenwohnung um. Neben dem Architekturbüro befinden sich im Gebäude auch die Linzer Zweigstelle des Vereins „Lebensbutler“, der soziale Dienste anbietet, sowie das Honorarkonsulat der Ukraine.

Am Beginn des 21. Jahrhunderts waren im linken Erdgeschoss die Schauräume der „Galerie Fröhlich“ bis 2011 beheimatet, danach „Crossroads“, ein unabhängiger christlicher Buchladen, und anschließend betrieb in diesen Räumen Edi Pesendorfer sein „Zollamt„, ein luxuriöses Modegeschäft. Heute findet sich dort mit „Gletscher“ ein Dienstleistungsbetrieb für Markenentwicklung & Gestaltung, der Verbindungen zwischen Menschen und Marken herstellen will. Im rechten Erdgeschoß betrieb Sonja Schauer einige Jahre ihr „StoffART„, ein Stoffgeschäft der besonderen Art, dem aktuell das „WARDROBE N°2“ nachgefolgt ist, das exklusive Secondhandmode anbietet.

Das Haus steht in der Adlergasse, einer der ältesten Straßen von Linz, die ursprünglich als Verlängerung der Badgasse bis zur Stadtmauer reichte und dort als Sackgasse endete. Historisch trug die Gasse verschiedene Namen, darunter auch die volkstümliche und derbe Bezeichnung „In der Arschgarben“, die auf eine lokale Legende aus der Zeit des Bauernkriegs zurückgeht. Der Name bezog sich angeblich auf einen Hinterhalt gegen das Bauernheer unter Stefan Fadinger im Jahr 1626, bei dem die aufständischen Bauern in dieser Sackgasse geschlagen und vertrieben wurden.

Heute ist die Adlergasse eine ruhige, kurze Gasse mit einigen sanierten Bürgerhäusern spätgotischen Ursprungs. Der namensgebende Gasthof „Goldener Adler“ wurde 1939 im Zuge der Errichtung der Brückenkopfgebäude abgerissen. In der Gasse befinden sich auch heute noch kleine Lokale wie das „Indisch“ (derzeit geschlossen) und das „Leopoldistüberl“ (derzeit geschlossen) sowie versteckt am Ende die Keramikwerkstätte „Montmartre“.

Insgesamt steht das Haus Adlergasse 10 exemplarisch für die historische Entwicklung der Linzer Innenstadt – vom frühneuzeitlichen Bürgerhaus über ein traditionsreiches Handwerkerhaus bis hin zum zeitgemäß genutzten Stadthaus mit kultureller, politischer und sozialer Funktion. Es verbindet architektonisches Erbe, städtische Transformation und persönliche Geschichten zu einem lebendigen Teil der Stadtgeschichte.

Quelle Dehio Linz: „Nr. 10 (Rathausgasse Nr. 7): Urk. 1595, vor 1710-1824 Hutmacher. Spathistorist. Neubau der Oö. Baugesellschaft 1910, seither mit dem Haus Rathausgasse Nr. 7 durch gemeinsames Treppenhaus verbunden. Der Rathausgassentrakt unter Beibehaltung des mittelalterlichen Kellers nach Plänen von Johann Rueff 1849/50 neu erb. Die frühhistorist. Fassade ebenerdig mit Rundbogenöffnungen, in den OG gerade verdachte Fenster und mächtiges Konsolgesims. Adlergassenseitig hohe Fassade in neobar. Formen (1910) mit Riesenlisenengliederung. – Innen ellipsoide Treppenhäuser um offene Mitte, die gusseisernen Stiegengeländer sowie einige Türen aus der Bauzeit.“

Tusche auf Papier, 40×40 cm

Acryl auf Leinenkarton, 60×60 cm, 2019


Aus der Geschichte des Hauses Adlergasse 10

Im Jahr 1888 besaß das Ehepaar Ferdinand und Anna Pfaffel im Erdgeschoß einen Wein- und Schnapsladen. Die Schenke erregte infolge ihrer versteckten Lage, mit Ausnahme der solche Lokale besuchenden Individuen, gar wenig die Aufmerksamkeit der Passanten (Linzer Tages-Post). Am 29. Dezember 1888 herrschten Schnee und Kälte in Linz. Da wurde Ferdinand Pfaffel in seiner Branntweinschenke gegen 7 Uhr abends von seiner Gattin tot aufgefunden. Der 62-Jährige war mit einem Stein erschlagen worden. Zusätzlich hatte ihm der vorerst unbekannte Täter mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Der Stein lag noch im Geschäft. Außerdem fehlten Bargeld, Schmuck, Bilder, weitere Wertgegenstände und Schnaps. Als Zeitpunkt des Mordes wurde die Stunde zwischen 6 und 7 Uhr abends eingegrenzt, denn um 6 Uhr war „behufs Controle – die Schenke wurde tagsüber des öfteren durch die Sicherheitsorgane controliert – ein Wachmann in derselben, um Nachschau zu halten. Zu diesem Zeitpunkt saß Pfaffel alleine und Zeitung lesend an einem Tisch“ (Linzer Tages-Post).
Hinweise auf den Täter ergaben sich erst ein paar Tage später. Am 3. Jänner 1889 meldete sich ein Wiener Hausbesitzer bei der Polizei: Ein Untermieter namens Josef Steiger sei zum Tatzeitpunkt abgängig gewesen, und als er zurückkam, habe er die Miete mit Bargeld und Schnaps für einige Monate im Voraus bezahlt. Obendrein seien auf seiner Hose noch Blutflecken zu sehen gewesen, was den Wiener Hausbesitzer stutzig machte. Der vorbestrafte Steiger wurde verhaftet und verhört. In seinem Besitz fand die Polizei einen Teil der gestohlenen Gegenstände. Steiger leugnete die Tat zunächst hartnäckig, war nach drei Wochen aber geständig. Die Gerichtsverhandlung fand im Landesgericht am 15. April 1889 statt. Dort wurde er wegen Raubmordes an Pfaffel und mehrerer Einbrüche zum Tode durch den Strang verurteilt. Am Morgen des 22. Mai wurde Steiger vom Scharfrichter Seifried im linken Hof des Landesgerichtes unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehängt. Es war die letzte Hinrichtung in Linz nach österreichischem Recht, obwohl die Todesstrafe immer noch zugelassen war.